Denn sie wissen nicht, was sie tun: Hahnenkämpfe statt abgestimmter Euro-Politik

Auch in den besten Familien kommt es gelegentlich zum Krach. Dennoch hält man bei Problemen zusammen wie Pech und Schwefel. Auch in unserer Euro-Familie gibt es mitunter Beziehungsstress. Das ist auch nicht schlimm. Schlimm ist es aber, wenn die Euro-Familienmitglieder in einer existenziell bedrohlichen Schuldenkrise nicht wirklich zusammenhalten, sondern jeder sein eigenes Süppchen kocht. Es muss schon klar sein, ob es Fleisch oder Fisch gibt. Das erinnert mich sehr an einen Haufen wild gewordener Hühner, die nicht in der Lage sind, eine gemeinsam und klug überlegte Strategie gegen die vor dem Hühnerstall herum streunenden Füchse zu entwickeln. Besonders fatal ist, dass die zwei Leithähne, die operativ die Verteidigung organisieren müssten, der französische und deutsche Hahn, nichts Besseres zu tun haben, als sich in Hahnenkämpfen zu verlieren. So konnte ich kürzlich auf Kundenbesuchen in Paris ein deutliches Unverständnis hinsichtlich unseres nationalen Alleingangs beim Verbot von Leerverkäufen spüren. Überhaupt vermittelt Euroland momentan den Eindruck, dass politische Schnellschüsse oberste Priorität haben, um Zeit zu gewinnen. So werden im Hau-Ruck-Verfahren Mega-Hilfspakete durch gewunken und unser Helicopter Ben heißt mittlerweile Mirage Jean-Claude. Die eisernen Stabilitätskriterien werden dabei abgegeben wie ein Mantel an der Garderobe. Die Halbwertszeit wird ja heute danach gemessen, wie schnell Euroland Grundsätze über Bord wirft. Ich fürchte, dass wir die uns damals verkaufte Stabilität nicht mehr sehen werden. Eher lassen sich in der Pfanne brutzelnde Schnitzel wiederbeleben.

Finanzmärkte wollen wissen, wo Euroland in zwei Jahren steht

Mag sein, dass es aktuell keine Alternative mehr dazu gibt. Aber wie geht es denn nach dem Notmodus weiter, wie sieht die langfristige Vision aus? Wie in einem Vorstellungsgespräch fragen die Finanzmärkte, wo Euroland und der Euro in zwei Jahren stehen wollen. Ist die Transfer- und Haftungsunion jetzt für alle Zeiten zementiert? Wie sollen die Finanzmärkte aussehen? Grundsätzlich müssen klare Ziele formuliert werden, denn wer keine Ziele hat, kann auch keine erreichen. Ohne diese klaren Vorgaben sind für Gerüchte und Unsicherheiten Tür und Tor geöffnet. Und da hilft es wenig, wenn die gackernde Politik den Finanzmärkten den schwarzen Peter zuschiebt und sich auch noch wundert, dass die Füchse doch tatsächlich keine Vegetarier sind, sondern die offenen Verteidigungslücken des Hühnerstalls ausfindig machen und versuchen, sich die schwächsten Tiere zu schnappen. Ich bin weit davon entfernt, die teilweise unverantwortlichen Eskapaden einiger Finanzfüchse gutzuheißen. Aber sie jetzt als Generalabsolution für eine populistisch schnell schießende, wenig einvernehmliche Politik heranzuziehen, ist zu billig. Klare und abgestimmte Leitlinien vorzugeben ist eine Bringschuld der Euro-Politik. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Politische Union mit allen Konsequenzen

Die wichtigste Leitlinie ist die Beibehaltung eines gemeinsamen europäischen Währungsraums mit allen Konsequenzen, um gegenüber Nordamerika und Asien bestehen zu können. Im nationalen Klein-Klein werden wir gerissen. Wir brauchen definitiv die politische Union. Dazu muss sich das französisch-deutsche Hahnenduo wieder zusammenraufen. Denn es müssen schmerzhafte Entscheidungen getroffen werden. So kann es durchaus sein, dass wir an 16 Ländern nicht festhalten können. Grundsätzlich können politische Börsen mit halbgaren, nur auf Zeitgewinn setzenden Lösungen auch sehr lange Beine haben. Es schreit nach Orientierung. Politiker hört also die Signale: Entfernt das Ohropax aus euren Ohren!

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